Ein paar Worte zu den digitalen Erzählungen
Im Rahmen unseres Projekts haben wir als Lehrkräfte die pädagogischen Vorteile gesehen, die aus der gezielten Auseinandersetzung unserer SchülerInnen mit der historischen Vergangenheit der DSA hervorgehen. Durch diesen Prozess wurden wir auch mit einer Reihe interessanter Herausforderungen konfrontiert. Ich nenne hier einige Beispiele davon: Aus wie vielen SchülerInnen sollen die jeweiligen Untergruppen bestehen und nach welchen Kriterien werden jedes Mal diese Gruppen gebildet? Mit welchen Schüler- und Lehrerarchiven der Schule aus der Zeit 1933-1944 sollen wir uns zu Beginn des Projekts beschäftigen und welchen Gebieten werden wir besondere Bedeutung beimessen? Wie organisieren wir im Rahmen der geplanten Interviews den Kontakt unserer SchülerInnen zu den Zeitzeugen? Wie sollen unsere wöchentlichen Treffen so vorbereitet werden, dass unsere SchülerInnen einerseits ihre vorhandenen geschichtlichen Kenntnisse nutzen und andererseits ihr Wissen über die historischen Gegebenheiten der Zeit anhand geeigneter historischer Quellen vertiefen können? Wie setzen wir am besten moderne technische Mittel ein? Wie schaffen wir die geeigneten Rahmenbedingungen für eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den SchülerInnen der Deutschen Schulen Athen und den SchülerInnen aus Distomo, aber auch jenen der Fritz-Karsen-Schule? Wie nutzen wir dabei die wertvolle Erfahrung, die die Kollegin und Projektleiterin, Frau Regina Wiesinger, bisher gemacht hat?
Orientierung an Ausdrucksformen der SchülerInnen
Zahlreich und fruchtbar sind die Fragen, die uns Lehrkräfte beschäftigen, insbesondere wenn sie im Rahmen einer fruchtbaren Zusammenarbeit der Gruppenmitglieder aufgeworfen werden. Dabei suchte und sucht die Gruppe jedes Mal nach dem geeigneten pädagogischen Rahmen, mit dem Ziel, eine Vielfalt an Schüler-Kompetenzen zu fördern und die Talente der SchülerInnen zu entfalten. Besonderes Interesse hatte für mich persönlich auch die Frage der SchülerInnen nach der Art der Präsentation des fertig gestellten Materials. Uns beschäftigten Fragen zur Darstellungsweise der Schüler- und Lehrerporträts der Schule aus dem Zeitraum 1933-1944 sowie zur Struktur der interaktiven Webseite. Mit der wichtigen Unterstützung von Professor Nicolas Apostolopoulos der Freien Universität Berlin wurden zu Beginn des Projekts zahlreiche Gruppentreffen dieser Problematik gewidmet. Wir gaben unseren SchülerInnen Beispiele aus ähnlichen Projekten, damit sie sich mit diesen auseinandersetzen können; wir hörten ihren Ideen und Vorschlägen, ihren Bedenken, ihren Ängsten und Sorgen genau zu. Das, was wir schließlich heraushörten, war ihr grundlegendes Bedürfnis, sich unter Anwendung der Mittel, die sie auch in ihrer alltäglichen Kommunikation benutzen, auszudrücken: Sprache, Bilder, Musik. Fasziniert von der Kombination der traditionellen mündlichen Geschichtserzählung mit den Mitteln der modernen digitalen Technologie wie Computer, Kamera, Aufnahmegeräte und Telekommunikationsmöglichkeiten engagierten sich unsere SchülerInnen aktiv beim Versuch, die Ergebnisse des Forschungsprojekts digital wiederzugeben.
Digitales Storytelling
Der multimediale und vielschichtige Umgang mit den Erzählungen mithilfe digitaler Mittel wird im Unterrichtsprozess mit dem Begriff „digitales Storytelling“ (englisch „digital storytelling“) beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Praktik, die den narrativen und digitalen Inhalt inklusive Bilder, Ton und Videos vereint, sodass ein Kurzfilm mit starken emotionalen Elementen entsteht.
Nach Untersuchung der einschlägigen Literatur konzentrierten wir uns auf die Tatsache, dass digitale Erzählungen ihre Kraft aus genau dieser Kombination von Bildern, Musik sowie mündlicher und schriftlicher Erzählung schöpfen und somit den Darstellern und den Situationen eine andere Dimension verleihen, so der Verband für Digitales Storytelling (Digital Storytelling Association). Interessant war außerdem die Information, dass der Begriff „digitales Storytelling“ erstmalig im Jahr 1990 von dem Filmemacher Ken Burns in seinem Dokumentarfilm The Civil War verwendet wurde, in dem für die Präsentation der Geschichte Amerikas die Erzählperspektive der Ich-Form in Verbindung mit Fotos, gefilmten Szenen und Musik gewählt wird. Im Einklang mit der modernen Forschung (Robin, 2008) sind historische Dokumente, die Ereignisse der Vergangenheit untersuchen und deren Verständnis erleichtern, digitale Geschichte.
Auswahl des Begleitmaterials
Im Rahmen dieses Prozesses und angesichts einer festen Erzählstruktur, die uns jedes Mal von den schriftlichen Archivdokumenten der Schule vorgegeben wurde, stellten wir das geeignete Foto-Begleitmaterial zusammen. Für die Auswahl der Fotos standen uns nicht nur das Fotoarchiv der DSA und das der Alumni zur Verfügung, sondern auch Bildmaterial aus unserer Kooperation mit dem Benakis-Museum, der Öffentlichen Rundfunkanstalt Griechenlands (ERT) und dem Sammler Vyron Mitos. Ergänzt wurde natürlich das Bildmaterial durch die vorsichtige Suche nach Fotos im Internet, die immer unter Berücksichtigung der Urheberrechte erfolgte. In ähnlicher Weise wurde auch die Musik ausgewählt. Die Grundlage dafür bildeten sowohl persönliche Kompositionen des hervorragenden Musikers und Kollegen Roland Hoffmann als auch Musik aus dem Internet. Das alles wurde mit der wertvollen Unterstützung des Sozialanthropologen und Filmemachers Spyros Geroussis verwirklicht.
Ausblick
Da die systematische Fortsetzung dieses Unternehmens angestrebt wird, ist die Reise in die Geschichte unserer Schule noch nicht abgeschlossen. Unser Ziel ist es, diesen Versuch fortzusetzen, um so auch anderen SchülerInnen und Lehrkräften der Schule die Möglichkeit zu geben, an diesem Prozess teilzuhaben, der ihnen nicht nur reichhaltige Erfahrungen bescheren, sondern –um es mit den Worten unseres Dichters Konstantinos Kavafis auszudrücken– auch „die schöne Reise…“ ermöglichen wird.